„Ich wünsche mir eine Business-Welt, die sich für alle Menschen engagiert“

Natascha Kneissl ist Managing Director der Agentur für Erlebniskommunikation Jazzunique und unglaublich gerne Gastgeberin. Im Interview spricht sie über ihre Learnings in der Geschäftsführung, künstliche Intelligenz und menschliche Kuration sowie vier Shout-outs.

Welche fünf (Fun-)Fakten lese ich in deinem Steckbrief?

Ich kann nicht stillsitzen. Ein DIY-Projekt, ein nerdiges Thema, das mich brennend interessiert oder eine Idee, die mich nicht loslässt: Ich nehme ständig neue Impulse auf und bin immer am „Machen“. Die große Neugierde für alles Mögliche lässt mich immer aktiv sein. Bei mir gibt es quasi keine komplette Auszeit. Meine Leidenschaft für Hip-Hop und die Kultur begleiten mich seit meinen Teenager-Jahren. Dabei repräsentiert die Szene für mich viele Werte, die nach wie vor höchst aktuell sind. Ehrenamtlich organisiere ich deshalb u.a. das Blend Festival. Ich bin unglaublich gerne Gastgeberin. Für meine Freund:innen und die Familie richte ich regelmäßig Dinners, Partys und Events aus – hier schlägt sich meine Leidenschaft fürs Menschen zusammenbringen auch privat nieder. Ich finde, drei Fun Facts sind genug 😉

Was oder welche Nachricht beschäftigt dich gerade?

Mich sorgen die gesellschaftspolitische Situation und unsere Rolle als Verantwortliche in der Wirtschaft. Rassismus, Antisemitismus und Sexismus sind wichtige Themen unserer Zeit, und es hat sich insgesamt eine hohe Awareness für den Umgang damit entwickelt. Dennoch gilt es nun besonders, diese Learnings aktiv ins Business einzubinden und nachhaltig zu verankern. Ich wünsche mir, dass wir den nächsten Generationen eine Business-Welt übergeben, die sich auch systemseitig langfristig für alle Menschen engagiert.

Du bist jetzt ein Jahr Mitglied der Geschäftsführung von Jazzunique. Teile bitte deine drei wichtigsten Learnings mit uns.

  1. Anpassungsfähigkeit und Transparenz: Die Geschäftswelt ist ständig im Wandel. Meine naive Idee, immer eine Lösung parat zu haben und als Führungskraft den Weg zu kennen, ist Bullshit. Für manche Umstände ist dieser Anspruch nicht umsetzbar und dann gilt es, transparent und offen zu sein. Corona hat uns nochmal gezeigt, dass Leadership eben nicht bedeutet, Probleme zu lösen, sondern die Lösungsfindung zu moderieren.
  2. Talentförderung und Verantwortung: Ein erfolgreiches Unternehmen hängt maßgeblich von den Menschen ab, die daran beteiligt sind. Die Entwicklung von Talenten, das Schaffen eines positiven Arbeitsumfeldes und die Förderung einer starken Teamdynamik sind essenziell, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Dieser Skill lässt uns die große Volatilität im Markt aushalten und damit arbeiten.
  3. Wirtschaftliche Grundlage: Die langfristige Sicherstellung der Perspektive benötigt Mut, Ausdauer und einen verantwortungsvollen Blick auf Ressourcen. Dabei muss Wirtschaftlichkeit die Grundlage für alle Aktivitäten sein.

Corona hat uns nochmal gezeigt, dass Leadership eben nicht bedeutet, Probleme zu lösen, sondern die Lösungsfindung zu moderieren.

Eure Agentur ist im Sommer dem Netzwerk AI Frankfurt Rhein-Main beigetreten, das Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in der Region zum Thema künstliche Intelligenz (KI) zusammenbringt. In eurer Kreation integriert ihr bereits künstliche Intelligenz. Wie genau macht ihr das?

Künstliche Intelligenzen helfen uns dabei, unsere eigenen Visionen und Konzepte zu challengen, sie auf Verständnis und Nachvollziehbarkeit zu hinterfragen und diese zu fördern. KI-Tools sind wertvolle Werkzeuge, um unsere Ideen zu visualisieren und insbesondere die ersten Phasen unserer kreativen Arbeit zu unterstützen. Mit ihrer Hilfe können wir sehr schnell Ideen und Gedanken in etwas Greifbares übersetzen. Nicht, um diese visualisierten Gedanken als Ergebnisse zu sehen oder Auftraggeber:innen zu verkaufen, sondern um sie zu hinterfragen und an Ihnen eine Vision wachsen zu lassen. Mit diesen neuen Mitteln lassen sich somit viele händische Prozesse in kurzer Zeit erledigen, die uns bisher oft lange beschäftigt haben. Eine ausführliche Einschätzung dazu könnt ihr im Whitepaper aus unserem Artificial Experience Lab finden: „Künstliche Intelligenz: Haben Kreative ausgedient?“

Künstliche Intelligenz: Haben Kreative ausgedient? Hier könnt ihr das Whitepaper aus dem Artificial Experience Lab von Jazzunique bestellen.

Was rätst du Eventprofessionals und Kreativen, die befürchten, dass KI sie ersetzen wird?

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass künstliche Intelligenzen kreative Arbeit nicht ersetzen, sondern ergänzen. In unserem AE Lab (Artificial Experience Lab) haben wir dies unmittelbar erleben können. An verschiedenen Installationen haben wir die Anwendbarkeit von diversen KI-Applikationen getestet und unseren Besucher:innen und Mitarbeiter:innen näher gebracht, indem wir KI nicht nur nutzbar, sondern räumlich zugänglich und erlebbar gemacht haben. So wurde deutlich, dass trotz der Potenziale, die KI-Systeme bieten, dennoch ein kritischer Faktor für den Erfolg ihrer Anwendung: menschliche Kurator:innen bleiben. Ohne menschliche Kuration kann eine KI-Technologie nur begrenzten Nutzen bieten und kann sogar dazu führen, dass ungenaue, irrelevante oder unverständliche Inhalte generiert werden. Also: Creatives, dieser Welt, wir brauchen euch mehr denn je!

Um das volle Potenzial der KI auszuschöpfen, müssen Unternehmen und Organisationen den Mut aufbringen, sich dieser Technologie aktiv zu nähern und die Initiative zu ergreifen. Es zeigt sich, dass die Rolle des menschlichen Kurators unverzichtbar ist, um das volle Potenzial von KI-Systemen auszuschöpfen. KI-Systeme allein können zwar schnelle und effiziente Ergebnisse liefern, aber sie können nicht menschliche Kreativität, Intuition und Erfahrung ersetzen. Daher sollte der Fokus darauf liegen, KI-Systeme mit menschlicher Expertise zu ergänzen, um sicherzustellen, dass generierte Inhalte ansprechend, relevant und verständlich sind.

Im Frühjahr hast du zum She Means Community Afterwork-Treffen in euren „imprfct space“ eingeladen. Was ist der imprfct space?

Mit dem imprfct space haben wir das Herzstück unserer Räumlichkeiten zu einem einzigartigen Ort – einem Showroom, einer Galerie und einem Experimentierfeld für Kunst, Design und Inszenierungen verwandelt. Durch die innovative Verschmelzung von physischem Raum und digitalen Welten schaffen wir dabei immer wieder neuartige und faszinierende Raumerlebnisse. Der Ansatz dahinter ist, dass man in der heutigen Zeit Büroflächen neu denken und aktivierender denken muss. Ich wünsche uns unbedingt mehr physische und übertragene Räume zum Ausprobieren, zum Spielen und um mit Menschen in Austausch zu kommen. Die Etablierung ist eine bewusste Entscheidung, und wir sind super happy mit dem grandiosen Output und dem tollen Feedback.

She Means Community Afterwork-Treffen im „imprfct space“ von Jazzunique auf Einladung von Natascha Kneissl. Foto © Jazzunique

Im gemeinnützigen Verein She Means Community geht es um Diversity, Gender Equality und Female Empowerment. Welches Thema liegt dir am Herzen – und warum bist du Teil der She Means Community?

Ich schätze den offenen Austausch auf Augenhöhe und wünsche mir, dass wir mit der Initiative vielfältig ins Gespräch kommen –vor allem außerhalb der eigenen Bubble. Das schafft She Means für mich und trägt einen Teil dazu bei, unsere Business-Welt gerechter, nachhaltiger und inklusiver zu machen.

Was treibt dich an?

Menschen. Und die Idee, dass wir Teil eines Ganzen sind. Jede und jeder von uns ist wichtig und die Welt nur schön, weil wir zusammen sind. Daher tragen wir alle Verantwortung für die Gesellschaft und diese Rolle verstärkt sich eben mit Einfluss.

Welche Frage hat dir gefehlt?

Die Frage nach Shout-outs. Gerne möchte ich die Plattform nutzen, um für ein paar tolle Menschen, Initiativen und Ideen zu werben:

  • GG Vybe: Frankfurts erste weibliche DJ-Crew. Sie kämpfen gegen Mansplaining in der Veranstalterwelt und dafür, dass Clubs ein sicherer Ort für Frauen werden.
  • Crémant. Cava. Booty Bounce: Genreübergreifende Hip-Hop-Partyreihe für alle mit dem Fokus auf Bi*poc, FLINTA und queers für unbeschwertes booty shaken
  • Ad Girls Club: Das Kollektiv kämpft gegen Sexismus in der Agenturwelt, bietet Workshops und Beratungen an und bringen Forderungen auf den Punkt
  • Charta der Vielfalt: Die Initiative bringt die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Diversity in der Arbeitswelt voran und stellt eine große Datenbank an Knowledge zum Thema zur Verfügung.

 

Wer soll „Woman of the month” im Oktober 2023 werden?

Vera Viehöfer! Ich bin unglaublich beeindruckt von dieser Frau. Straight Business mit den richtigen Werten und eine schier unerschöpfliche Energie.

Kerstin Wünsch

Wer ist Natascha Kneissl?

Natascha Kneissl ist Frankfurterin und führt als Managing Director die Units Event und Campaign der Agentur für Erlebniskommunikation Jazzunique. Im Team mit mehr als 60 Spezialist:innen aus den Bereichen Strategie, Kommunikation, Design, Architektur und Eventmanagement entwickelt und realisiert Jazzunique Projekte für Unternehmen, Verbände und Konzerne. Natascha beschäftigt sich intensiv mit den Themen Leadership und den Anforderungen an die moderne Agentur als Arbeitgeberin. Sie berät Unternehmen zu strategischen Fragestellungen im Rahmen der Erlebniskommunikation und setzt gemeinsam mit ihrem Team vielfältige Kommunikationsprojekte um.