„Moderation ist dienende Führung“

Miriam Janke ist Moderatorin und Moderationscoach für Organisationen, Event Designerin und Event-Komplizin für lebendige Veranstaltungen sowie Gründerin von www.fusionistas.de. Im Interview spricht sie über die „Revolutionale“ in Leipzig, sinnvolle Arbeit, individuelle Veranstaltungen und verbindende Moderationen, gibt drei Moderationshacks und sieht Vielfalt als Normalität an.

Welche fünf (Fun-)Fakten lese ich in deinem Steckbrief?

Miriam tanzt Tango, sortiert ihren Kleiderschrank nach Farben, vermisst ihre Jahre in Mexiko und wird als nächstes wohl Innenarchitektin – wenn das so weitergeht mit der Begeisterung für Räume und Design. Sie besitzt fünf Fahrräder, aber kein Auto.

Was oder welche Nachricht beschäftigt dich gerade?

Nachrichten, die ich persönlich gehört habe: Als Moderatorin der „Revolutionale“ in Leipzig von Aktivist*innen zu Menschenrechten und Demokratie. Die hallen nach. Wie es ist, in einem unterdrückerischen Staat zu leben, angefeindet oder weggesperrt zu werden, sich nicht sicher sein zu können?

Du sagst: „Neue Arbeit braucht neue Events.“ Was meinst du mit neuer Arbeit, und welche Events braucht es dafür?

Neue Arbeit ist sinnvolle Arbeit, die gut für Menschen UND für die Organisationen sind, in denen sie stattfindet. Neue Arbeit trägt dazu bei, gut zu arbeiten und etwas zum Positiven zu verändern. So verstehe ich New Work: Jenseits von Buzzwords, Oberflächlichkeiten oder Dogmen. Die Events, die dazu passen, dürfen je nach Unternehmen oder Organisation verschieden sein – weil sie individuell sind. Die EINE Blaupause für ein gutes Event gibt es nicht, aber wiederkehrende und wichtige Elemente darin: Machen statt behaupten, verbinden statt beschallen, aktivieren statt betreuen.

Moderation ist für dich die Stellschraube für einen Kulturwandel durch Events – und für Qualität. Was macht eine gute Moderation aus?

Moderation ist dienende Führung: Wir leiten, um etwas zu ermöglichen. Moderator*innen übernehmen Verantwortung, indem sie dem Publikum ein energetisches und kommunikatives Zentrum bieten und Verbindung ermöglichen: Mit den Themen, zwischen Menschen, mit den eigenen Gedanken dazu. Nicht umsonst habe ich mein Coaching-Business fusionistas genannt: Wir schaffen als Moderator*innen Gemeinschaft. Und arbeiten interdisziplinär mit vielen Gewerken zusammen – auch da gibt es eine Fusion. Für gute Moderation braucht es Menschenliebe, soziale und sprachliche Gewandtheit, eine schnelle Auffassungsgabe, Uneitelkeit (um nicht zu sagen: Demut) und Authentizität.

Für gute Moderation braucht es Menschenliebe, soziale und sprachliche Gewandtheit, eine schnelle Auffassungsgabe, Uneitelkeit (um nicht zu sagen: Demut) und Authentizität.

Mit www.fusionistas.de bringt du anderen das Moderieren bei. Hast du drei Moderationshacks für uns?

  1. Bei Podien als Moderatorin nicht in der Mitte sitzen, sondern am Rand. So hat man alle Gäste im Blick und zieht nicht die Blicke und Hauptaufmerksamkeit auf sich – die sollten nämlich unseren Gästen gelten.
  2. Zum Unterbrechen den Namen der Person nennen. „Kerstin!“ Da hört man kurz hin, oder? Unsere Chance, um bei Vielrednern ein Bein in die Tür zu bekommen.
  3. Und wissen, wer man ist. Was kann ich gut, was treibt mich an? Mit dieser inneren Verortung fällt auf eine Bühne gehen leicht, weil die eigene Mitte da ist.

Du bist dem gemeinnützigen Verein She Means Community zu den Themen Diversity, Gender Equality und Female Empowerment beigetreten. Welches Thema liegt dir am Herzen?

Equal Pay – warum verhandeln wir Frauen oft schlechter als Männer? Warum denken wir, dass unsere Arbeit weniger wert sei als der übliche Marktwert oder wir noch nicht so weit wären, um Honorar XY aufzurufen? Und Vielfalt als Normalität, das wär’s. Denn jenseits der Bereicherung, die z.B. kulturelle oder soziale Herkunft bedeuten können, ist Vielfalt auch einfach das: Eine Tatsache und Normalität. À la: „No big deal, just life.“

Was treibt dich an?

Menschen, Kreativität und Gestaltungswille. Wir können so vieles gestalten, seien es Begegnungen, Prozesse oder Formate. Deshalb liebe ich Design: Weil es gelebte Gestaltung der Welt ist. Die zudem Schönheit bringt.

Eine Idee der She Means Community ist, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen und stärken. Hier ist Platz für deine Shout-outs.

Meine Shout-outs gehen über das Frauenthema hinaus und drehen sich um Diversität und Empowerment:

  1. Neue Deutsche Medienmacher*innen: Diversität braucht es auch und besonders in den Medien, weil sie mitbestimmen, wie wir die Welt wahrnehmen. Die NDM sind Journalist*innen mit und ohne Einwanderungsgeschichte, die vor und hinter der Kamera, am Mikrofon und auch in den Führungsetagen für mehr Vielfalt sorgen. Hilfreich und toll finde ich das NDM-Glossar für Berichterstattung in der Einwanderungsgesellschaft: Mit konkreten Vorschlägen, welche Begriffe wir (nicht) verwenden sollten. Da wird Sprache von der Kampfzone für Weltanschauungen zum bewusst und respektvoll verwendeten Handwerkszeug.
  2. Die Revolutionale: Veranstaltungen wie diese, die alle zwei Jahre in Leipzig Aktivist*innen v.a. aus Osteuropa zusammenbringen, machen mich froh. Nicht nur als Moderatorin und Event-Designerin, sondern auch als Weltbürgerin. Weil konkrete Menschen mit ihrer Arbeit für Menschenrechte und Demokratie, oft unter schwierigen Bedingungen, gestärkt werden. Die Stiftung Friedliche Revolution ist Veranstalterin und sieht die Revolutionale als Werkzeug, das es – neben z.B. Gedenkakten und Büchern – ganz praktisch braucht.

Welche Frage hat dir gefehlt?

Was haben Events mit Organisationsentwicklung zu tun?

Und die Antwort?

Ich vermute: Ziemlich viel, weil man über Veranstaltungen die eigene Organisation ausdrücken und verändern kann. Konferenzen, Team-Meetings & Co zeigen z.B. die Kultur und gestalten Beziehungen. Sie lassen erleben, wie man ist und ermöglichen auch Veränderung – man sollte anders herausgehen, als man hineingegangen ist. „Ich vermute“ sage ich deshalb, weil ich mich zu dieser Frage auf den Weg gemacht habe und noch viel mehr dazu herausfinden will. Wir reden gerne in ein, zwei Jahren noch einmal…

Wer soll „Woman of the month” im Dezember 2023 werden?

Gabriela Schweinberger. Wir haben uns online bei She Means Community kennengelernt und auf gut Glück einfach für einen analogen Abend in Berlin verabredet. Der fantastisch, vertrauensvoll, tief und lustig war! Obwohl wir eigentlich Fremde waren, war da eine Art von Verständnis und Sympathie, die auch mit Vertrautheit einherging.

Kerstin Wünsch

Beitragsbilder: © Sylvie Gagelmann

Wer ist Miriam Janke?

Miriam Janke ist bald 15 Jahre selbstständig als Moderatorin und Veranstaltungsdesignerin. Sie versteht sich als Event-Komplizin mit dem Thema lebendige Veranstaltungen, die transformieren. Miriam moderiert und konzipiert Konferenzen und Events und bildet Moderatorinnen und Moderatoren aus, die im Rahmen ihres Jobs moderieren, z. B. Projektleiterinnen oder Referenten. Dafür hat sie www.fusionistas.de gegründet. Um das Moderieren zu erlernen, bietet sie u.a. Moderationshacks als Kartenset an und Coachings für Einzelpersonen und Teams. www.miriam-janke.de