„Ich will Brücken bauen, wo es nur geht”
Lisa Jeller, Head of Events & Community bei The Drivery, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des gemeinnützigen Vereins She Means Community, Architektin der Community-Plattform, über mentale Gesundheit und Menschlichkeit, wie sich online Gemeinschaft erzeugen lässt und ihre Geheimwaffe für Geschlechtergerechtigkeit.
Welche fünf (Fun-)Fakten lese ich in deinem Steckbrief?
Dass ich (1) aus einem Tiroler Skidorf stamme, (2) das Wort “Marketing-Oktopus” mein Skillset ganz gut zusammenfasst, (3) ich für das Thema Eventtechnologie brenne, (4) ich hobbymäßig Burlesque tanze und (5) Kapstadt (neben Tirol und Berlin) mein drittes Zuhause nenne.
Was oder welche Nachricht beschäftigt dich gerade?
Nachdem ich mir eine kurze berufliche Auszeit genommen habe, beschäftigen mich die Themen Aufmerksamkeit, Stress und mentale Gesundheit. Digitale Technologien sind meine Leidenschaft, dennoch blicke ich auch kritisch darauf, wie sie unsere Arbeitswelt, unsere Beziehungen und letztlich unser Gehirn verändern. Ich kann mir vorstellen, dass wir menschlichen Begegnungen im physischen Leben in Zukunft mehr und bewusstere Zeit einräumen müssen – das wirkt sich auch auf die Erwartungen an die Eventbranche aus.
Die Pandemie bringt uns immer wieder an unsere Grenzen – persönlich wie professionell betrachtet. Wie bleibst du zuversichtlich?
Ich hatte das große Glück, während der Pandemie weder beruflich noch privat größere Einschnitte oder gar Schicksalsschläge erfahren zu müssen. EventMobi schaffte 2019 innerhalb weniger Wochen die Weiterentwicklung zu einer führenden virtuellen Event- und Community-Plattform. Obwohl es eine schwierige Zeit voller Unsicherheiten war, fasziniert mich, welche Herausforderungen ein Team, eine Gemeinschaft, meistern kann. Auch im privaten Umfeld gab es eine Welle der Entschleunigung, des Zuhörers, Zeitnehmens, Unterstützens: Menschlichkeit gibt mir Zuversicht.
Du hast sechs Jahre lang als „Women in tech“ gearbeitet. Was nimmst du mit?
Es fasziniert mich, wie unterschiedlich Menschen mit Technologie umgehen. Während sich manche enthusiastisch auf die neusten Trends stürzen und Tools quasi sammeln, gibt es auch viele, die skeptisch sind und lieber Altbekanntes, vermeintlich Funktionierendes bewahren möchten. Hier Wissen zu vermitteln und Berührungsängste abzubauen, macht mir viel Freude.
Die Themen Diversity, Gender Equality und Female Empowerment treiben dich um. Wie ist das gekommen?
Das Umfeld, in dem ich aufwuchs, war von konservativen Geschlechterrollen geprägt, und ich habe mich früh an vermeintlich kleineren Ungerechtigkeiten gestoßen, vorerst ohne die größeren strukturellen Zusammenhänge zu begreifen. Das zog sich im Arbeitsleben fort. Frauen haben im letzten Jahrhundert viel gewonnen, und davon profitiert unsere Gesellschaft, aber auch unsere Wirtschaft enorm. Dennoch gibt es noch viel zu tun.
Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde und Gender Equality Ziel 5 der 17 Sustainable Development Goals (SDG) der United Nations. Wie engagierst du dich?
Neben meinem Engagement für She Means Community habe ich mir fest vorgenommen, in allen meinen Wirkungsfeldern – in der Familie, im Freundeskreis, im eigenen Unternehmen aber auch der Branche – für Geschlechtergerechtigkeit und Female Empowerment einzustehen, Rückgrat zu zeigen, auf Missstände aufmerksam zu machen und Frauen zu fördern. Ich will unbequem sein, wenn es notwendig ist und Brücken bauen, wo es nur geht. Denn: Besonders die kleinen Gesten im Alltag, ermunternde Worte, oder Kritik am richtigen Ort können oft viel bewegen.
Du bist das jüngste der 13 Gründungsmitglieder des gemeinnützigen Vereins She Means Community. Wieso sollten gerade junge Frauen dem Netzwerk beitreten?
Junge Frauen haben in einem so starken Netzwerk am meisten zu gewinnen, für ihre Karriere, aber auch für ihre persönliche Entwicklung. Zudem wird der demographische Wandel dafür sorgen, dass wir schneller stärker aufsteigen können und gleichzeitig u.a. durch die Digitalisierung vermehrt mit psychischen Belastungen zu kämpfen haben werden. Dabei auf den Rückhalt erfahrener Frauen bauen zu können, ist viel wert. Allerdings: Dass ich mit 30 Jahren das jüngste Gründungsmitglied bin, heißt auch, wir haben bei der jüngeren Generation Z – also klassischen Berufseinsteiger:innen, einen Blind Spot. Daran müssen wir arbeiten!
Junge Frauen haben in einem so starken Netzwerk am meisten zu gewinnen, für ihre Karriere, aber auch für ihre persönliche Entwicklung. Lisa Jeller, Head of Events & Community bei The Drivery, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des gemeinnützigen Vereins She Means Community
Auf LinkedIn schreibst du, dass du dich am meisten auf das Gefühl von Gemeinschaft im virtuellen Zuhause von She Means Community freust. Ein virtuelles Gemeinschaftsgefühl – wie soll das entstehen?
Fast nostalgisch würde ich da an die erste Zeit der Pandemie verweisen, als mit viel Lust Online-Quizze gespielt haben und virtuelle Kochabende organisiert wurden. Das hat schon gezeigt, dass es möglich ist, auch online Gemeinschaft zu erzeugen und zu spüren. Ich denke, wichtig ist es, sich dabei authentisch zu zeigen und proaktiv Gemeinschaftsgefühl schaffen zu wollen – nur zugucken reicht nicht.
Welche Frage hat dir gefehlt?
Was ist die Geheimwaffe auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit?
Deine Antwort?
Mentoring – sowohl formell als auch in ganz alltäglichen Gesten des Sich-unter-die-Arme-Greifens und Bestärkens. Das hilft, negative Glaubenssätze auszuhebeln und sich der eigenen Stärke bewusst zu werden.
Wer soll „Woman of the month” im April werden?
Damit die jungen Frauen in unserer Community sichtbar werden: Bruktayt Mogessie. Sie sagt: „Der Mensch kann nicht zu neuen Ufern aufbrechen, wenn er nicht den Mut aufbringt, die alten zu verlassen.“ Das gefällt mir.
Kerstin Wünsch